Whistleblowing – jetzt auch als Gesetz

Am 16.02.2023 wurde im Bundesrat die Umsetzung der „Whistleblowerrichtlinie“ ins nationale Recht beschlossen. Unsere Compliance-Expertin Verena Stagl hat sich das Gesetz angesehen.

Verena Stagl – Expertin für Compliance bei Lindner Stimmler

Das Inkrafttreten des HinweisgeberInnenschutzgesetzes (HSchG) ist nur mehr eine Frage von Tagen. Ein Gesetz mit zahlreichen Tücken und Fallstricken, das Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt, aber ihnen gleichzeitig auch die Chance bietet, durch Einrichtung eines wirksamen Meldesystems den Ruf des Unternehmens zu schützen und potentiellen finanziellen Verlusten frühzeitig entgegenzuwirken.  

Was regelt das HSchG?

Durch das HSchG sollen Whistleblower:innen geschützt werden. Dies sind Personen, die Kenntnis über bestimmte Missstände und Verstöße erlangt haben und diese Hinweise melden („Hinweisgeber:innen“). Geschützt sind nicht nur die Hinweisgeber:innen selbst, sondern auch Personen aus deren Umfeld (etwa Kolleg:innen). Nicht geschützt sind Personen, die wissentlich falsche Meldungen abgeben.

Tagesordnung des Bundesrats. Darauf ein eine Visitenkarte von Verena Stagl sowie ein Kugelschreiber von Lindner Stimmler
Das Inkrafttreten des HSchG ist nur mehr eine Frage von Tagen

Zu diesem Zweck haben Unternehmen, die vom Anwendungsbereich erfasst sind, ein Hinweisgebersystem einzurichten, durch das der Schutz der Hinweisgeber:innen vor negativen Konsequenzen (zb arbeitsrechtliche Folgen und Vergeltungsmaßnahmen) gewährleistet wird.

Welche Hinweise sind geschützt?

Die Hinweisgebung zur Verletzung folgender Vorschriften ist vom HSchG umfasst:

  • Öffentliches Auftragswesen,
  • Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
  • Produktsicherheit und -konformität,
  • Verkehrssicherheit,
  • Umweltschutz,
  • Strahlenschutz und nukleare Sicherheit,
  • Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,
  • öffentliche Gesundheit,
  • Verbraucherschutz,
  • Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen,
  • Verhinderung und Ahndung von Korruptionstatbeständen des StGB.

Welche Unternehmen müssen die Anforderungen des HSchG umsetzen?

Unternehmen ab 50 Beschäftigten müssen nach dem HSchG einen internen Meldekanal einrichten, der es Hinweisgeber:innen ermöglicht, ihre Identität zu schützen. Hier kommen von der Telefonhotline bis hin zu onlinebasierten Plattformen verschiedene technische Möglichkeiten in Betracht. Das Meldesystem muss sicher und DSGVO-konform sein.

Unternehmen sind gut beraten, umgehend alle Verpflichtungen aus dem HSchG umzusetzen.

Verena Stagl

Hinweisgeber:innen können sowohl an (unternehmens-/behörden-)interne als auch an externe Meldestellen Meldungen abgeben. Externe Stelle ist etwa das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung; daneben bestehen noch weitere externe Meldestellen. Das interne Meldesystem ist nach dem HSchG so zu gestalten, dass es Hinweisgeber:innen einen Anreiz gibt, Meldungen bevorzugt an interne Stellen zu erstatten als an externe. Hinweisgeber:innen wiederum sollen prüfen, ob sie einen Hinweis zunächst einer internen Stelle geben können. Sofern im Unternehmen also keine internen Meldestellen eingerichtet werden, bleibt den Hinweisger:innen als letzte Konsequenz nur die Meldung an eine externe Meldestelle oder im schlimmsten Fall direkt an die Öffentlichkeit zu gehen. Um ein daraus resultierendes Risiko von Reputationsschäden zu vermeiden, empfiehlt sich in jedem Fall die Einrichtung einer internen Meldestelle. Hierdurch kann auch das Vertrauen in die Integrität eines Unternehmens gestärkt werden.

Eine „Schonfrist“ gibt es für Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Sektors mit weniger als 250 Beschäftigten; für diese treten die Vorschriften zur Einrichtung interner Hinweisgebersysteme erst am 17. Dezember 2023 in Kraft. Für die Einrichtung von internen und externen Stellen gilt eine Übergangsfrist von sechs Monaten ab dem Inkrafttreten des HSchG.

Welche Maßnahmen sind umzusetzen?

Unternehmen und Organisationen müssen leicht zugänglich und verständlich über den internen und externen Meldekanal, das Meldesystem sowie die Meldeprozesse informieren. Hier empfiehlt sich die Schaffung einer Unternehmensrichtlinie, die entsprechend kundzumachen ist, und die Implementierung von Schulungsmaßnahmen im Unternehmen.

Die interne Stelle muss mit ausreichend finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet sein und so betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber:innen gewahrt bleibt. Es sind Vorkehrungen für eine unbefangene sowie unparteiliche Entgegennahme und Behandlung von Hinweisen und deren weisungsfreie inhaltliche Erledigung zu treffen.

Die Meldestellen haben alle eingehenden Meldungen zu dokumentieren und dafür zu sorgen, dass die gesetzlich definierten Verfahrensvorschriften eingehalten werden. Meldungen müssen sowohl schriftlich als auch mündlich möglich sein. Insofern ist im Unternehmen ein Prozess zu implementieren, der dafür Sorge trägt, dass den gesetzlichen Anforderungen entsprochen wird.

Das HSchG regelt zum Schutz der Hinweisgeber:innen, dass allfällige arbeitsrechtliche Folgen und Vergeltungsmaßnahmen (wie etwa Kündigung, Aufgabenverlagerung, Disziplinarmaßnahmen, Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen) rechtsunwirksam sind. Die (natürliche oder juristische) Person, der die Vergeltungsmaßnahme zuzurechnen ist, ist zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands, zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet.

Was gilt im Konzernverbund?

Das HSchG ermöglicht es Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Sektors (ausgenommen solche, die Organisationseinheiten des Bundes sind), die Aufgaben der internen Stelle auf eine gemeinsame Stelle zu übertragen. Insofern besteht die Möglichkeit, im Konzern ein zentrales Whistleblowersystem einzurichten.

Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen das HSchG?

Bestimmte Verstöße gegen die Bestimmungen des HSchG sind mit Geldstrafe bis zu EUR 20.000 (im Wiederholungsfall bis zu EUR 40.000) bedroht, und zwar

  • die Behinderung oder Unterdrucksetzung von Hinweisgeber:innen;
  • das Setzen von Vergeltungsmaßnahmen;
  • die Verletzung der Bestimmungen des HSchG zum Schutz der Vertraulichkeit;
  • das wissentliche Abgeben eines falschen Hinweises.

Reputation und sonstige Schäden – Auch hier schlägt die Compliance zu

Die größten Probleme ergeben sich nicht direkt aus dem Gesetz, sondern aus dessen Verletzung. Wird bekannt, dass gegen die Verpflichtungen des Gesetzes verstoßen wird, führt dies zu massiven Reputationsverlusten des Unternehmens in der öffentlichen Wahrnehmung. Gerade derartige Verletzungen neigen zu „Shitstorms“ in sozialen Medien und sollten daher jedenfalls vermieden werden.

Daneben ist zu erwarten, dass derartige Verletzungen auch als Wettbewerbsverletzungen angesehen werden. Damit eröffnet sich ein weiteres Instrument um gegen unliebsame Wettbewerber:innen vorzugehen.

Was wir empfehlen

Eine Vielzahl österreichischer Unternehmen fällt in den Anwendungsbereich des HSchG. Betroffene Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den neuen Regelungen auseinandersetzen und entsprechende Meldesysteme entweder einführen, oder bereits bestehende Systeme fit für die neue Rechtslage machen. Dadurch wird das Vertrauen von Beschäftigten in die Integrität eines Unternehmens gestärkt werden. Zusätzlicher Vorteil ist, dass Hinweisgeber:innen nicht bei fehlender Einrichtung einer internen Meldestelle gezwungen sind, sich an eine externe Stelle oder die Medien zu wenden.

Durch Einführung eines optimierten Meldesystems können Probleme meist unbürokratisch intern gelöst werden

Verena Stagl berät Unternehmen bei der Wahl optimierter Meldesysteme

Aus Praktikersicht empfiehlt sich daher die Einrichtung eines Systems, das die Kommunikation mit anonymen Hinweisgeber:innen ermöglicht.

Allgemein gilt: Je attraktiver die internen Meldekanäle ausgestaltet sind und je mehr Vertrauen potenzielle Hinweisgeber:innen in diese haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Hinweisgeber:innen an die internen Meldestellen wenden. Die Führungsebene kann hier durch Schaffung und Förderung einer entsprechend vertrauensvollen Unternehmenskultur unterstützen.

Gerne unterstützen wir Sie auch weiterhin mit unserer Expertise dabei, compliant zu bleiben.

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