Eine kleine Sensation: Der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gab der Beschwerde des Vereins KlimaSeniorinnen Schweiz statt (hier geht es zur Pressemeldung). Die unzureichenden Maßnahmen der Schweiz im Kampf gegen den Klimawandel verstoßen gegen Art 8 EMRK.
Hintergrund
Vier ältere Damen (allesamt Mitglieder des Vereins), haben Gesundheitsprobleme , die sich während Hitzewellen verschlimmern und ihr Leben, ihre Lebensbedingungen und ihr Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen, . Die Beschwerdeführer:innen machten geltend, dass die Schweizer Behörden ihre Pflichten im Bereich des Klimaschutzes nicht erfüllt hätten und gegen Artikel 2 (Recht auf Leben) und Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hätten.
Die schweizerischen Behörden hatten die Anträge der Beschwerdeführer:innen aufgrund von Klimaschutzbelangen für unzulässig erklärt und entschieden, dass die individuellen Beschwerdeführer nicht unmittelbar betroffen seien, um ein schützenswertes Interesse im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu haben. Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht und das Schweizer Bundesgericht wiesen die Berufungen der Beschwerdeführer:innen ebenfalls zurück.
Begründung
Der EGMR stellte fest, dass die Beschwerdeführer nicht die Kriterien für Opferstatus gemäß Artikel 34 der EMRK erfüllten, da sie nicht persönlich und unmittelbar von staatlichem Handeln oder Nichthandeln betroffen seien. In Bezug auf den Verein befand der EGMR jedoch, dass dieser das Recht habe, im Namen seiner Mitglieder zu handeln und dass Artikel 8 der EMRK auf seine Beschwerde anwendbar sei.
Der EGMR entschied, dass die Schweiz gegen Artikel 8 der EMRK verstoßen habe, da sie nicht angemessen und rechtzeitig Maßnahmen ergriffen habe, um die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. Darüber hinaus stellte der EGMR fest, dass die Verweigerung des Zugangs zu einem Gericht eine Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 der EMRK darstelle, da die nationalen Gerichte die Beschwerden nicht angemessen behandelt hätten.
In Bezug auf die Umsetzung des Urteils und die Behebung der Verletzungen entschied der EGMR, dass es Sache der Schweiz sei, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die nationalen Behörden den Anforderungen der EMRK gemäß diesem Urteil entsprechen. Der EGMR sprach dem Verein KlimaSeniorinnen Schweiz eine Entschädigung in Höhe von 80.000 Euro für Kosten und Ausgaben zu.
Projekte mit großen Klimaauswirkungen werden deutlich erschwert
Berthold Lindner
Das Urteil betonte die Bedeutung des Klimawandels für die Menschenrechte und die Verantwortung der Staaten, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen.
Konsequenzen
Das Urteil hat massive Auswirkungen auch auf Österreich. Sowohl VwGH, als auch VfGH legen ihrer Judikatur die Rechtsprechung des EGMR zugrunde. Werden Projekte künftig an die Gerichtshöfe herangetragen, sind sie künftig im Hinblick auf die neue Judikaturlinie zu Art 8 EMRK auf ihre Klimaschädlichkeit zu beurteilen. Dies wird gerade energieintensive Vorhaben, sowie Projekte mit einer hohen potentiellen Klimaauswirkungen deutlich erschweren. Inwiefern Staaten selbst betroffen sein werden, lässt sich noch gar nicht abschätzen.